Warum sind die alle so freundlich hier? Fragte mich Sarayu heute auf unserem Trip nach Raglan. Ja, warum eigentlich? Oder warum sind wir es nicht? Warum kommt uns Freundlichkeit unheimlich vor?
Ich hatte ja schon viel über die Kiwis gelesen und auch darüber, dass sie super nett und hilfsbereit sind. Das eine ist davon zu lesen, das andere es zu erleben.
Dieser Blogbeitrag ist u.a. den Busfahrern der Kiwis gewidmet.
Von Auckland aus sind wir mit dem Bus nach Hamilton. Der erste ältere, gemütliche Busfahrer hielt am Terminal schon einen kleinen Plausch mit uns, fragte wo her wir kämen und wie es uns in Neuseeland bisher so gefällt. So weit, so freundlich. Er eskortierte uns in seinen Bus und gab uns die besten Plätze, direkt hinter ihm mit den Worten: damit ihr eine möglichst freie Sicht auf unser schönes Land habt. Und es war schön. Vieles erinnert mich hier an meine Zeit in Australien. Die Landschaft, die Straßen und Häuser und ich fühle mich teilweise 20 Jahre zurück versetzt. Wer bin ich in den 20 Jahren geworden?
Hab ich mich sehr verändert? Reise ich mit mehr Weisheit?
Auf jeden Fall gehe ich angstfreier und offener auf jeden zu. Fange mit allen möglichen Leuten einfach ein Gespräch an. „pickin’ their brains“ nenn ich das. Mich interessieren ihre Geschichten, warum sie hier sind, was sie schon erlebt haben, wie ihr Leben zu Hause ist. Wir teilen Geschichten und Essen miteinander. Backpacker vibe. Ich liebe es.
Als mich heute jemand von zu Hause gefragt hat, wie fühlst du dich Stef? Hab ich ersthaft darüber nachgedacht. Meine Antwort? Zutiefst mit meinem wirklichen Sein verbunden. Das fühl ich. Das bin ich. Barfuss oder in FlipFlops rumzulaufen, Bücher verschlingend, neue Orte entdecken, Englisch sprechend, neue Menschen kennenlernen. Gleichzeitig genieße ich es aber auch zu arbeiten. Eine Aufgabe zu haben, mich um mein Team und meine Kunden daheim zu kümmern und auch aus der Ferne eine Unterstützung sein zu können. Das war immer mein Traum. Ortsunabhängig zu arbeiten. Schön, dass ich ihn jetzt leben darf.
Aber zurück zu den netten Kiwis. Wir hatten eine kleine Verspätung und mussten daher leider 3 Stunden auf unseren nächsten Bus warten.
„Was ist das Gute daran, dass ich nicht sehen kann?“, schoss es mir durch den Kopf als ich kurz genervt war von der Tatsache rumzusitzen und zu warten.
Genau das. Rumsitzen und warten. Nichts aus der Zeit machen. Lesen. Löcher in die Luft starren. Zu Hause gibt es immer was zu tun und ich tu mich mit unter schwer einfach zur Ruhe zu kommen. Außerdem will ständig jemand was von mir. Wenn ich jetzt wach bin, schlafen die meisten Menschen die ich kenne. Das Handy ist so still, als wäre es auf lautlos. Manchmal starre ich drauf und kann nicht fassen, dass dort wirklich keine Nachricht für mich ist. Seltsam schön, irgendwie befreiend.
Auf der Toilette im Hamilton Busterminal vergesse ich dann meine Sonnenbrille. Als ich es bemerke und zurücklaufe ist es bereits zu spät. Sie ist weg. Der security guy/Hausmeister, der auf den ersten Blick nicht ganz der Hellste zu sein scheint, läuft mir in die Arme. „Excuse me, have you found my sun glasses?“ Er fing an zu strahlen und hüpfte, wie ein Kind vor mir herum. "Yes Mam, yes! I did. I’m so happy. Wait, no, come with me." So sprang er Arme wedelnd vor mir her in seinen Hausmeister-Raum. Ich weiß nicht, was mich in dem Moment mehr glücklich gemacht hat, dass ich meine Sonnenbrille wieder hatte oder ihm den Tag seines Lebens bescherte. Wir strahlten auf jeden Fall beide.
Nach 3 Stunden süßen Nichts tuns, kam dann unser Bus nach Raglan an. Der sehr hilfsbereite und freundliche Busfahrer erklärte mir, wie das alles mit meiner frisch erworbenen Bee-Card (Bus, Biene, Sein ;-)) funktioniert und fing dann mit jedem der so rumstand ein Gespräch an. Nicht aufdringlich. Einfach nur nett.
Unterwegs verabschiedete er jeden Fahrgast. Er kannte offensichtlich jeden. Wusste genau, wann wer, in wieviel Tagen wieder mit fahren würde und fragte nach dem Wohlbefinden der Familienangehörigen. Jedem Touristen erklärte er genau wohin er nach dem Aussteigen laufen müsse, um ans Ziel zu kommen.
Ich beobachtete das ganze 1 Stunde lang. Beim Aussteigen klopfte ich ihm auf die Schulter und bedankte mich mit den Worten: you have been the most kind and helpful busdriver I've ever met. Er wurde rot und war sichtlich gerührt.
Wir kamen dank seiner Beschreibung im neuen Hostel an ohne uns zu verlaufen.
Wenn ich an unsere Busfahrer daheim denke, vor denen meine Kinder Angst haben, kann ich nur den Kopf schütteln. Was macht sie so grummelig und wütend? Die Tatsache nicht mehr aus ihrem Leben gemacht zu haben? Oder weil sie sich nicht wertgeschätzt fühlen?Bei den Busfahrern hier hab ich nicht das Gefühl, dass es ihr Lebenstraum war Busfahrer zu werden, aber sie machen es dennoch mit viel Herz und Menschlichkeit und darauf kommt es doch letztlich an, oder nicht?
Und dann ist die Arbeit egal und die Wertschätzung kommt von ganz allein.
das zu lesen hat Spaß gemacht. Seid weiterhin mit schönen Erlebnissen gesegnet!
Wunderschön ♥️🥹